Planen und bemustern
Inhaltsverzeichnis
Ideale Farbgebungen und Farbpaletten entwerfen
In der Farbgestaltung arbeiten wir mit Relationen und Veränderlichkeiten, Nuancen und Schätzungen, Einfühlung und Emotion. Angestrebt werden Atmosphäre und Stimmung, Stil und Spiel. Da wir alle unter diesen Begriffen jeweils etwas anderes verstehen oder uns vorstellen, müssen wir sie auch individuell näher bestimmen und verbildlichen.
Farbgebung im Raum ist also keine der exakten Wissenschaften, wo es genau eine richtige Lösung für eine Fragestellung gibt, auch wenn die Farbtheorie dies uns suggerieren mag. Für eine gegebene Situation sind viele unterschiedliche Gestaltungslösungen der Farbigkeit möglich. Unter den Möglichkeiten aber gibt es jene, die für uns (ziemlich) genau die Richtige ist. Die wollen wir entdecken!
Im Folgenden ist eine Vorgehensweise zur Entwicklung von Farbpaletten oder Farbschemas beschrieben, die für die meisten Aufgabenstellungen brauchbar ist. In einem ersten Schritt werden die räumlichen und atmosphärische Bedingungen festgestellt:
Situation und Raum erfassen
Tageslicht und Beleuchtung
Ohne Licht keine Farbe. Als Grundbedingung für Farbe sind Licht und Beleuchtung die Grundbedingungen in der Farbplanung. Mit Farben arbeiten heisst auch, mit Licht zu arbeiten.
Tageslicht verändert sich stetig, also verändert sich auch die Farbigkeit. Die Tageslichtverhältnisse in einem Raum beeinflussen die Farbwirkung und bestimmen, welche Farbigkeit geeignet ist.
Es gilt also, die Tageslichtsituation im gegebenen Raum zu beobachten und anhand der unten stehenden Gegenüberstellung zu charakterisieren:
Beobachten und einstufen der Tageslichtsituation im Raum
3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
grosse Fenster | kleine Fenster | |||||||
sonnig | schattig | |||||||
warm | kühl | |||||||
südlich | nördlich | |||||||
westlich | östlich | |||||||
grüne Umgebung | graue Umgebung | |||||||
braune Umgebung | blaue Umgebung |
- Die Markierungen befinden sich mehrheitlich im linken Bereich: helle und warme Stimmung.
- Die Markierungen befinden sich vornehmlich im rechten Bereich: schattige und kühle Stimmung.
- Die Verteilung der Markierungen ist etwa ausgeglichen oder eher mittig: neutrale Stimmung.
Je nach Art der Farbgebung lässt sich die Stimmung im Raum nun einerseits intensivieren, andererseits mildern. Mit einer neutralen Farbgebung wird die gegebene Stimmung kaum beeinflusst. In der nachstehenden Matrix können wir nun angeben, in welchem Farbtemperaturbereich sich unsere Farbgebung entfalten soll und herauslesen, ob unsere Farbenpalette mit warmen, kühlen oder mehr mit neutralen Farben angereichert sein soll:
Bestimmen des zukünftigen Raumklimas
Gegebene Raumstimmung | |||
hell, warm | neutral | schattig, kühl | |
Gewünschte Raumstimmung | Zu wählende Farbentemperatur | ||
wärmer | warm | neutral | warm |
warm | neutral | kühl | neutral |
neutral | kühl | kühler | kühl |
Beispiel: Die gegebene Stimmung im Raum ist eher schattig und kühl. Da der Raum als Arbeitsraum vorgesehen ist, wollen wir mittels der Farbgebung eine neutrale Stimmung schaffen. Wir werden also eine Palette mit warm temperierten Farben anlegen.
Architekturstil und Ausbau des Raums
In die Farbplanung sind nicht nur die nur Wände und Decke einzubeziehen, sondern der komplette Raum mit all seinen gegebenen Einrichtungselementen. Die Einbauten und fixen Einrichtungselemente sind stilbildend. Sie bestimmen meist auch die Funktion des Raums und sind wesentlich für die Raumatmosphäre.
Es gilt also, die formalen und funktionalen Bedingungen der Räumlichkeiten zu benennen, um damit die weiteren Anhaltspunkte zur Entwicklung des Farbschemas zu gewinnen:
Form und Größe des Raums
3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
hoch | niedrig | |||||||
weit | eng | |||||||
rechtwinklig | verwinkelt | |||||||
umschlossen | erschliessend |
Stil der Einbauten und fixen Einrichtungselemente
3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
modern | klassisch | |||||||
kleinbürgerlich | grossbürgerlich | |||||||
rechtwinklig | verwinkelt | |||||||
praktisch | prachtvoll |
Nutzung und Art des Raums
3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
privat | gesellschaftlich | |||||||
ruhig | lebhaft | |||||||
pragmatisch | romantisch | |||||||
geordnet | beliebig |
Wir sammeln nun Ansichts- und Mustermaterial, das zu den markierten Eigenschaften passt und sie gut illustriert. Dabei berücksichtigen wir natürlich auch die Erkenntnisse, die wir aus der Beobachtung der Beleuchtungssituation gewonnen haben. In unsere Sammlung gehören auch Muster jener Materialien und Farben, die im Raum bereits vorhanden sind und unverändert bleiben.
Eine Farbpalette entwickeln
Charakterisierung der Raumatmosphäre
Nachdem wir die Beleuchtungssituation beobachtet und das Wesen des Raums erfasst haben, wenden wir uns der eigentlichen Farbgestaltung zu. Zuerst werden wir versuchen, ein genaueres Bild der zukünftigen Raumatmosphäre zu zeichnen. Dazu sind in der folgenden Tabelle einige Eigenschaften, Charakterisierungen oder Beschreibungen von Raumatmosphäre einander gegenübergestellt:
Anzustrebende Eigenschaften der Raumatmosphäre
3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
dynamisch | verhalten | |||||||
entgegenkommend | neutral | |||||||
anregend | entspannend | |||||||
persönlich | allgemeingültig | |||||||
freundlich | streng | |||||||
heiter | ernst | |||||||
konzentrierend | lösend | |||||||
beruhigend | belebend | |||||||
hart | weich | |||||||
hell | dunkel | |||||||
laut | leise | |||||||
leicht | schwer | |||||||
warm | kalt | |||||||
luftig | erdig |
- Die Markierungen befinden sich mehrheitlich im linken Bereich: anregende Atmosphäre.
- Die Markierungen befinden sich vornehmlich im rechten Bereich: beruhigende Atmosphäre.
- Die Verteilung der Markierungen ist etwa ausgeglichen oder eher mittig: neutrale Atmosphäre.
In einem zweiten Schritt können wir unser Anschauungs- und Mustermaterial nach der gewonnen Vorstellung sichten, unpassendes Material verwerfen und falls nötig unsere Sammlung mit Mustern ergänzen, die noch besser zu den bisher ermittelten Raumeigenschaften passen.
Charakterisierung des Stils
Da wir nun mehr über die gewünschte Ambiance wissen, gilt es nun, die Farbpalette stilistisch zu aufzuarbeiten und zu verfeinern. Um sich über den anzustrebenden Stil mehr Klarheit zu verschaffen, können wir mit Hilfe der folgenden Tabelle wiederum ein Profil erstellen:
Charakterisierung des Stils
3 | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 3 | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
trendy | zeitlos | |||||||
luxuriös | bescheiden | |||||||
verspielt | sachlich | |||||||
üppig | schlicht | |||||||
natürlich | künstlich | |||||||
modern | konservativ | |||||||
zurückhaltend | markant | |||||||
gemütlich | repräsentativ | |||||||
vertraut | exotisch | |||||||
eindeutig | vielschichtig | |||||||
weitend | fassend | |||||||
funktional | multifunktional |
Wir sichten jetzt die vorliegenden Farb- und Materialmuster unter Berücksichtigung des Stilprofils. Das weniger ins Profil passende Bemusterungsmaterial scheiden wir aus. Nach dieser Klärung und Vereinfachung der Farbpalette sollte aus dieser die grundsätzliche Farbstimmung und Ambiance für den zu gestaltenden Raum bereits herauszulesen sein.
Moodboard und Bemusterung
Die mittels der vorhergehenden Schritte herausdestillierten Farb- und Materialmuster können wir nun der gegebenen Räumlichkeit zufolge arrangieren. Die Größenverhältnisse und Materialqualitäten der Muster sollten dabei nach Möglichkeit der späteren Wirklichkeit entsprechen, denn mit der Ausarbeitung des Moodboards wird gleichzeitig die bisher eher ideelle Farbigkeit konkretisiert und greifbar gemacht.
Bei der Bemusterung sollte auch wiederholt gedanklich der Sprung vom Farbmuster zu dessen Anwendung im dreidimensionalen Raum vollzogen werden. Schliesslich legen wir zu jedem gesetzten Farbtonmuster mehrere tolerierbare Helligkeitsnuancen bereit.
Sobald das Moodboard einen ersten Reifegrad erreicht hat, können die Muster an Ort und an unterschiedlichen Stellen im zu gestaltenden Raum platziert werden, um deren Wirkung zu beobachten und prüfen. An Ort und Stelle kann jetzt auch mittels der bereitgehaltenen Helligkeitsnuancen die Feinabstimmung unter den Farbtönen erfolgen.
Links
Literatur
Bettina Rodeck, Gerhard Meerwein, Frank H. Mahnke: Farbe - Kommunikation im Raum. Basel, Birkhäuser, 2007. ISBN 978-3764375959
David Oliver: Farbe und Raum, das Handbuch für effektvolle Farbwirkung. München, Deutsche Verlags-Anstalt, 2008. ISBN 978-3421036476